Entdeckt wurde das Rett-Syndrom in den 60er Jahren durch den Wiener Kinderarzt Dr. Andreas Rett (1924–1997), der zwei Mädchen beobachtete und komplett authentische Bewegungsabläufe ihrer Hände feststellte.

Viele Jahre lang konnte das Rett-Syndrom nur aufgrund ausgeprägter Symptome diagnostiziert werden. Das bedeutet, es wurden nur schwere Fälle der Krankheit erfasst und das Rett-Syndrom stellte sich als eine in allen Fällen schwerst verlaufende Erkrankung dar. Das heißt, die Diagnose war eine Klinische. 

Zwischenzeitlich arbeiteten Wissenschaftler fieberhaft daran, den Genort der vermuteten Mutation zu lokalisieren. Im Jahre 1998 war es soweit: man konnte die Suche auf Bande 28 des langen Arms des X-Chromosoms (Xq28)eingrenzen und fand dann auch bald das verantwortliche Gen, MECP2 (Dr. Huda Y. Zoghbi, MD of Baylor College of Medicine).

Seit Oktober 1999 steht ein Gentest zur Verfügung und seitdem präsentiert sich das Rett-Syndrom wesentlich vielgestaltiger, als man vorher vermuten konnte. Dieser Gentest filtert auch die weniger typischen Fälle heraus und ordnet sie eindeutig dem Rett-Syndrom zu (InterRett Database, detaillierteste Sammlung klinischer Daten von Rett-Patientinnen international).

Das Rett-Syndrom muss also nicht zwangsweise so schwerwiegend verlaufen, wie in der (alten) Literatur beschrieben: “Mädchen, die weder laufen, krabbeln oder sitzen können, die nicht sprechen, 

keine sinnvollen Handfunktionen besitzen, epileptische Anfälle bekommen, eine Skoliose entwickeln und stark autistisch sind.” Andererseits kann niemand den Eltern eine genaue Prognose über den Verlauf geben. Das ist sehr belastend für die Betroffenen. Und wenn dann tatsächlich die Regressionsphase einsetzt und das Kind in rascher Folge Fähigkeiten verliert, innerhalb weniger Wochen oder Monate stark einbricht, stehen die Eltern hilflos dabei und sind innerlich zerrissen vor Mitleid, Angst, Entsetzen, Trauer.

Studien haben die Häufigkeit (Prevalenz) des Rett-Syndroms mit 1 auf 15.000 Lebendgeborenen Kindern hochgerechnet. Das sind ca. 3-5 Kinder pro Jahr in ganz Österreich.


Dr. Bengt Hagberg

Das Rett-Syndrom hätte auch Hagberg-Syndrom heißen können. Denn unabhängig von Prof. Dr. Andreas Rett beforschte ziemlich zur selben Zeit dieser schwedische Arzt diese (damals noch namenlose) seltene Erkrankung von Mädchen mit den händewaschenden Handbewegungen.
Dr. Bengt Hagberg war Kinderarzt an der Universitätsklinik (Kinderneurologie) in Uppsala und Professor für Pädiatrie an der Universität Göteborg sowie Berater der Kinderklinik am Krankenhaus Östra in Göteborg. 

Im Jahr 1960 wurde Dr. Hagberg aufmerksam auf junge weibliche Patienten, mit wiederholenden Händewasch-Bewegungen, die in seine Praxis kamen. Erst 1983, als Dr. Hagberg und seine Kollegen einen Artikel in der englischen Zeitschrift “Annals of Neurology” veröffentlichten, wurde die medizinische Gemeinschaft auf dieses (damals noch unbenannte, heute als Rett-Syndrom bekannte) Syndrom aufmerksam.

Der Artikel war ein Durchbruch in der Vermittlung von Informationen über die Krankheit an ein breites Publikum.

Dr. Hagberg würdigte auch den bahnbrechenden Forscher der Krankheit, Dr. Andreas Rett, und so kam es zum Namen “Rett-Syndrom”. Die Auswirkungen von Dr. Hagberg auf das Rett-Syndrom sind auf der ganzen Welt zu spüren. Er trug so viel zu dem Wissen über diese schwere Behinderung bei und vorallem auch wie man für Mädchen mit Rett-Syndrom sorgen kann und wie uns als Familien geholfen werden kann.

Der Forscher, Arzt und Verfechter des Rett-Syndroms, Dr. Bengt Hagberg verstarb im April 2015. Mit diesem Link (http://cc.readytalk.com/play?id=29l1hk) gelangen Sie auf einen Clip von Dr. Hagberg anlässlich des siebten Rett-Syndrom-Weltkongress. Bei Minute 02:05 ist Dr. Hagberg in einer einminütigen Aufnahme zu sehen.

Im Jahr 2015 ist Dr. Hagberg verstorben – lieber Dr. Hagberg, vielen Dank für die vielen Jahre, die Sie der Erforschung des Rett Syndroms und somit unseren Kindern gewidmet haben!

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